Rudolf von Larisch: Plinius | Wertzeichen
Rudolf von Larisch, geboren am 1. April 1856 in Verona, entstammte einer altösterreichischen Offiziersfamilie. Von früh an scheint er – ohne geregelte Schulbildung – vielseitige Interessen entwickelt zu haben: für Fremdsprachen, für Musik, für alte Handschriften, für Kajak- und Segel-Sport. Als Beamter des Ministeriums des Innern in Wien war er in der kaiserlichen Kabinettskanzlei tätig, auch als Archivar des Ordens vom Goldenen Vlies. Daneben besuchte er den Aktkurs an der Kunstgewerbeschule und eine private Malschule.
Mit seiner ersten Veröffentlichung »Der Schönheitsfehler des Weibes« (1896) setzte er sich
mit Fragen der anthropomorphen Proportionen auseinander, in seiner nächsten Publikation »Über Zierschriften im Dienste der Kunst« (1899) übertrug er solche proportionalen Erwägungen bereits auf die Gestaltung der Schrift. Larisch widersprach dem zeichnenden »Entwerfen« oder »Konstruieren« von Schrift, basierend auf der grundsätzlichen Einsicht: »Schrift kommt von Schreiben«.
Larischs Wirkungskreis war besonders die österreichisch-ungarische Monarchie, die Schweiz und Deutschland. Zahlreiche Schüler haben seine Forderungen in Bezug auf die Ästhetik der Schrift und ihrer Bedeutung für die menschliche Kultur weitergetragen. Anders als der in Westeuropa berühmte englische Schriftkünstler Edward Johnston, dessen Lehre auf einer Übermittlung traditioneller Schreibweisen beruhte, ging Larisch von der künstlerischen Freiheit und Vorstellungskraft des einzelnen schreibenden Menschen aus, betonte aber gleichzeitig die Notwendigkeit, Schrift als »lesbares« ästhetisches Kommunikationsmittel im Ganzen eines Kunstwerks zu verstehen. Er hat damit – auch wenn zahlreiche eigenwillige Beispiele aus der Wiener Secession zunächst dagegen zu sprechen scheinen – eine wesentliche und folgen- reiche Einsicht vermittelt: den für das Verständnis des frühen 20. Jahrhunderts zunächst durchaus neuartigen Gedanken des hohen künstlerischen Eigenwerts von Schrift.